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Interview mit dem kanadischen Telekommunikations-Pionier Robert Adrian X

Tilman Baumgärtel   170897

Der Raum hinter dem Monitor

Fax-Perfomances, Telefon-Konzerte, Kommunikations-Skulpturen

1997 ist das Jahr, in dem die Kunstwelt zur Kenntnis genommen hat, daß es Künstler gibt, die im und mit dem Internet arbeiten. Doch während bei der documenta in diesem Jahr die erste Generation junger "net artists" vorgestellt wird, sind die Pioniere der künstlerischen Arbeit mit Telekommunikationsmedien bis heute nur wenigen Spezialisten bekannt. Der kanadische Künstler  Robert Adrian X , der seit 1972 in Wien lebt, hat bereits in den späten siebziger und frühen achtziger Jahre mit dem Telefon, dem Fax und frühen Mailbox- Systemen an Kunstprojekten gearbeitet.

Interview mit dem kanadischen Telekommunikations-Pionier Robert Adrian X
Eine der größte Aktionen dieser Art war "Die Welt in 24 Stunden", bei dem 1982 Künstler in 16 Städten auf drei Kontinenten 24 Stunden lang miteinander verbunden waren. Über eine Zentrale in Linz wurden per Fax, Bildtelefon, Computernetzwerk und Telefon Botschaften ausgetauscht, Kunstwerke verschickt, Multimediaarbeiten realisiert. Bei den "Telefonmusik"-Events, die zwischen 1973 und 1983 stattfanden, machten Musiker in Wien, Berlin, Vancouver und Budapest über das Telefon miteinander Musik. Bei diesen Aktionen und bei ihrer Vorbereitung benutzten die Teilnehmer das "Artex"-Netzwerk, eine Art sehr früher Mailbox-Verbund, der wohl als das erste Computernetzwerk gelten darf, das von Künstlern benutzt wurde.

Adrian und mit ihm eine internationale Gruppe von "telecommunication artists" hat Netzkunst gemacht, als es dafür noch nicht mal ein Wort gab. Im Gespräch mit Telepolis erinnert er sich an die Zeit der Fax- Performances, Kommunikations-Skulpturen und Telefon-Konzerte.

  Bitte erzähle mir etwas über Deinen künstlerischen Background.

  Bob Adrian X: Ich wuchs im Nachkriegs-Toronto in einer Künstlerfamilie auf. Das war damals eine eher ungewöhnliche Situation, weil es damals kaum Künstler in Toronto gab. Meine Mutter und mein Vater waren beide Künstler, und meine Geschwister auch. Ich belegte in der Highschool einen Kunstkurs, weil ich nicht gut in den anderen Fächern war. Als ich neunzehn war, bin ich von zuhause ausgezogen und habe mir ein Atelier gemietet. Das war meine ganze künstlerische Ausbildung. Ich habe kein Diplom oder irgendein anderes Papier, das beweist, daß ich ein Künstler bin. Ich wußte, wie man ein Künstler ist, weil mein Vater ein Künstler war, aber ich hatte nie eine richtige Ausbildung, und deswegen habe ich vielleicht eine etwas lässige Art als Künstler. Ich habe dann in einigen verschiedenen Berufen gearbeitet, ein bißchen ausgestellt, ich habe eine Gallerie betrieben, und 1960 bin ich nach England gezogen und 1972 dann nach Wien.

  Wie bist Du mit dieser Gruppe in Kontakt geraten, die in den späten 70er und frühen 80er Jahren Kunstprojekte machten, die mit Telekommunikationsmedien arbeiteten?

  Bob Adrian X: Im September 1978 habe ich den Künstler Bill Bartlett bei der Fifth Network Conference in Toronto kennengelernt. Fifth Network war die fünfte in einer Reihe von Konferenzen über Medien und Medienkünstler. 1978 bedeutete Medien üblicherweise "Video". Vielleicht war da auch ein Wortspiel mit dabei, das ein fünftes (oder alternatives) Netzwerk suggerieren sollte. Bei dieser Konferenz wurde darüber gesprochen, daß irgendwo über Nordkanada ein Satellit hängt, der langsam den Geist aufgab. Die kanadische Regierung wollte den Satelliten den Inuit (den kanadischen "Eskimos" - Anm.) zur Verfügung stellen, aber rein technisch konnte der Satellit von jedem benutzt werden. Es hieß, daß die Regierung ihn in dem etwa halben Jahr, das noch geblieben war, bevor der Satellit in der Atmosphäre verglühen würde, auch für lokale Kommunikationsprojekte zugänglich machen wollte. Diesen Bericht fand ich genauso aufregened wie die Tatsache, daß ich mir die ganze Konferenz live im Kabelfernsehen im Wohnzimmer meiner Eltern ansehen konnte.

Es ist eigentlich recht logisch, daß sich Kanadier so für Telekommunikation interessieren, denn Kanada ist ein Land mit schweren Kommunikationsproblemen - es ist ein riesiges Land, und es gibt viele, verschiedene Sprachen - nicht nur Englisch und Französisch, sondern auch die Sprachen der Ureinwohner und der Immigranten.

Bartlett wohnte zum Beispiel in Victoria auf der Vancouver Island, was ziemlich weit weg von allem ist und sein frühes Interesse an Kommunikationsprojekten verständlich macht. Er hatte auch schon Mail Art gemacht, im Gegensatz zu mir. Ich bin sozusagen "dritte Generation" in diese, ganzen Bereich. Bartlett hörte 1981 mit den Telekommunikationsprojekten auf (gerade zu der Zeit, als ich anfing, mich dafür zu interessieren), weil er kein Geld mehr hatte und weil er eine Tochter bekommen hatte. Außerdem war sein Telefon abgestellt worden, weil er seine Telefonrechnung nicht mehr bezahlen konnte.

  Was hat Dich als Künstler an der Vorstellung technisch vermittelter Verständigung interessiert? Hattest Du irgendwelche Erfahrung mit dieser Art von Kommunikation?

  Bob Adrian X: Da gab es 1956 eine vollkommen absurde Episode. Damals lebte ich noch in Kanada, und arbeitete in einem Jazz club. Einer der Musiker dort erzählte mir, daß die kanadische Eisenbahn nach Leuten suchte, die in einer Anlage arbeiten sollten, zu der ein Computer gehörte. Die normalen Büroangestellten konnten damit nicht umgehen, darum suchten sie nach Leuten, die da was improvisieren konnten - ein System für diese Maschine schaffen könnten. Für mich war das nur eine gut bezahlte Zeitarbeit. Ich glaube, wir waren ungefähr zwölf: Künstler, Musiker, Studenten, Schriftsteller, alle unter 25. Sie hatten in Montreal ein ganzes Gebäude für diesen Computer gebaut, der vielleicht 8 Kilobyte RAM hatte. Der Computer zählte die Eisenbahnwagen. Die Daten über den Eisenbahnverkehr wurde zu dieser Zeit an verschiedenen Orten in Kanada gezählt, und wir sollten die Informationen in Montreal zusammentragen: wo jeder einzelne Wagen genau war, ob er leer oder voll war, was er geladen hatte und so weiter. Wir bekamen diese Information über Fernschreiber auf Lochstreifen, die wir auf Lochkarten übertrugen. In der Nacht wurden diese Karten sortiert und nach Montreal übertragen.

Man kann diese Maschinen noch in alten Hi-Tech Filmen aus den frühen sechziger Jahren sehen. Ich arbeitete im Toronto Data Center, und wir mußten mit den anderen Zentralen, dem Computer Center in Montreal und den Bahnhöfen in unserer Region kommunizieren, und dadurch waren wir die ganze Zeit mit den Fernschreibern online. Diese ganze Netzwerktechnologie ist nicht so neu wie man denken könnte. In großen Firmen gibt es sowas schon lange - als ein Mittel, um damit Geschäfte zu machen, oder als Spielzeug für die Bosse.

  War das das erste Mal, daß Du einen Computer benutzt hast?

  Bob Adrian X: Das war das erste Mal, daß überhaupt irgend jemand einen Computer benutzt hat! Um ehrlich zu sein, habe ich den Computer aber gar nicht selbst bedient, sondern war nur Teil dieser Kommunikationskette, die Daten gesammelt und in den Computer eingefüttert hat. Das war einfach einer von diesen unglaublichen Zufällen. Als mich Bill Bartlett wegen dieser Kommunikationskunst- Sache anrief... moment, 1979 hat man eigentlich noch keine Übersee- Telefonate geführt. Das war viel zu teuer. Er hat mir eine Postkarte geschickt! Er schrieb etwas in dem Sinne: "... es gibt da eine Telekommunikationsfirma in Toronto, die gerade ein Büro in Wien eröffnet haben. Die heißen I.P. Sharp Associates und haben ein weltweites Computer Timesharing Netzwerk. In ein paar Monaten machen wir ein Projekt mit deren System. Die würden Dir umsonst eine Benutzernummer geben, wenn Du an dem Projekt teilnehmen willst."

Ich ging mit Richard Kriesche (Wiener Künstler - Anm.) zu I.P. Sharp, weil ich mich allein nicht traute. Ich erinnere mich, daß wir beide nebeneinander an zwei Tischen saßen, und auf jedem der Tische war ein Terminal, das so groß wie eine elektrische Schreibmaschine war. Damals gab es noch keine Monitore, weil die viel zu teuer waren, alles wurde auf Papier ausgedruckt. Richard schickte mir eine Message, und sie wurde sofort von meinem Terminal ausgedruckt - aber vorher war sie über Toronto gegangen! Das war's! Ich war vollkommen aus dem Häuschen! Wegen dieser verrückten Erfahrung, die ich 25 Jahre früher bei der kanadischen Eisenbahn gemacht hatte, wußte ich genau, wie das funktionierte. Ich wußte, daß wir in Kontakt getreten waren.

"Wir betraten diesen riesige Raum, den man heute Cyberspace nennt"

  Das klingt, als hätte Dich vor allem diese neue Technologie begeistert...

  Bob Adrian X: Was mich begeisterte, war der Raum! Richard und ich saßen persönlich direkt neben einander, aber als wir mit diesen Maschinen kommunizierten, betraten wir diesen riesigen Raum, den man heute Cyberspace nennt. Wenn die Maschinen an sind, und deine Finger auf der Tastatur, dann bist du in Verbindung mit einem Raum hinter dem Monitor. Und dieser Raum ist nur da, wenn die Maschinen an sind. Man betritt einfach eine neue Welt. Für mich hatte das nie etwas mit Reisen zu tun. Für mich hatte das eher etwas mit Präsenz zu tun, mit dem Eindringen in ein neues Territorium durch eine Art Membran. Es geht nicht mehr um Dinge, sondern um Verbindungen. Natürlich waren wir durch die Konzeptkunst, von der Minimal Art und diesen ganzen Kunstrichtungen darauf vorbereitet worden. Einen elektronischen Raum kann man sich sehr leicht vorstellen, wenn man erstmal die Idee eines konzeptuellen Raums der Kunst verstanden hat.

  Wieso hat Dich als Künstler dieser elektronische Raum interessiert?

  Bob Adrian X: Ich wollte Netzwerke schaffen, in denen bestimmte Sachen ablaufen konnten. Mich interessiert der strategische Aspekt daran, nicht der Inhalt. Ich will wissen, was passiert, wenn man diesen Raum für die Kunst öffnet. Es geht nicht darum, Bilder zu schaffen. Es geht darum Wege zu finden, wie man in diesen Systemen leben kann und wie sich Kultur in diesen Systemen verändert.

  Du hast zu einer ganzen Gruppe von Künstlern gehört, die sich an Telekommuniaktionsprojekten beteiligt haben. Wie ist diese Gruppe zusammengekommen?

  Bob Adrian X: Bill Bartlett hatte 1978 ein großen Projekt namens "Pacific Rim Slow-Scan" mit Satelliten gemacht. Dadurch hatte er eine Menge Kontakte an der Westküste und im Pazifik, unter anderem Carl Loeffler in San Francisco, Hank Bull in Vancouver and John Southworth in Hawaii. In Toronto hatte sich Norman White ursprünglich mit I.P.Sharp in Verbindung gesetzt. Die Anzahl Leute, die sich an so etwas beteiligen wollten, war ziemlich klein, und deswegen hat sich das ganze recht schnell herumgesprochen. Es gab eine Menge Aktivitäten am M.I.T. Center for Advanced Visual Studies, wo Aldo Tambellini und Sarah Dickenson schon mit SlowScan Television gearbeitet hatten. Roy Ascott, der schon seit Jahren mit Netzwerken gearbeitet hatte, kam aus England dazu. Tom Klinkowstein und David Garcia machten aus Amsterdam mit. Bruce Breland und die DAX Gruppe kamen von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh in den USA, Eric Gidney aus Sydney, Language Plus aus Alma, Quebec in Kanada.

Bei den ersten beiden Projekten war es so schwierig, überhaupt das Netzwerk zusammenzubekommen, daß ich mich fragte: Warum arbeiten wir nicht einfach innerhalb des Mediums? Warum versuchen wir nicht, I.P. Sharp dazu zu überreden, uns eine kleine Ecke in ihrem System für Kunstprojekte zu geben? Deren System war nämlich nicht billig. Obwohl I.P. Sharp unsere ganzen Projekte sponserte, war das normale Mailbox- Programm viel zu teuer für den privaten Gebrauch. Bill und ich nervten sie darum so lange, bis sie die Artex (Artist's Electronic Exchange Network) software für uns schrieben, was ein simples und relativ billiges Programm war, mit dem wir in Kontakt bleiben konnten und unsere Projekte koordinieren konnten. Es war ein einfaches System, das besonders geeignet für Online-Textprojekte war. Die spektakulärste Anwednung von Artex war Roy Ascotts  "La Plissure du Texte" , ein Abenteuer mit verteilter Autorenschaft. "La Plissure" fand in den beiden Wochen vor Weihnachten 1983 statt. Es war eine Art telematisches Märchen, und alle, die teilnahmen (aus Vancouver, Wien, Pittsburg, Sidney, Honolulu, Bristol, Paris and so weiter), hatten eine andere Rolle und improvisierten eine Geschichte.  Norman White hat den ganzen Text auf seiner Homepage liegen - und es ist irre!

  Mußtet ihr zum I.P. Sharp Büro gehen, um dieses System benutzen zu können?

  Bob Adrian X: Ich hatte ein Terminal zuhause. Ich hab das sogar noch, es ist jetzt eine Museumsstück. Es sieht aus wie eine große Reiseschreibmaschien. Es ist nur eine Tastatur mit einem 300 baud Akustikkoppler, und es druckte alles auf Thermopapier aus. Die Leute, die das nicht hatten, mußten zu I.P. Sharp ins Büro gehen. Dieses Equipment war damals sehr teuer - so um die 2000 Dollar für ein neues Gerät. Ich habe meine Maschine second-hand für etwa 600 Dollar gekauft.

"Man muß die sogenannten Hacker in die Definition von Kunst miteinbeziehen."

  Waren die Leute, die bei diesen Projekten mitgemacht haben, hauptsächlich Künstler?

  Bob Adrian X: Das hat eigentlich niemanden interessiert, ob man ein Künstler war oder nicht. Am Schluß war ich der einzige richtige, altmodische Künstler, der noch zu der Gruppe gehörte. Viele Leute kamen aus dem Randbereich der Kunst. Dazu gehörten die Kuratoren von Ausstellungsräumen, Universitätsprofessoren, Videokünstler, Leute aus Videostudios und so weiter. Aber wenn die auch keine Künstler waren, als sie damit anfingen, waren sie auf jeden Fall Künstler, wenn sie fertig waren. Der Ausdruck Künstler muß in diesem Kontext viel weiter gefaßt werden. Man muß zum Beispiel auch die sogenannten Hacker in diese Definition miteinbeziehen, denn die arbeiten auch kreativ mit Computersystemen.

  Aber ist es denn schon Kunst, wenn man eine Technologie beherrscht?

Adrain: Nein, alles was Du brauchst, sind gute Ideen, dann kann man sich jemand suchen, der sie online realisiert. Was die Technik betrifft, ist da nicht viel zu lernen, wenn man erstmal verstanden hat, daß es bei dieser Technologie um Verbindungen geht. Bei der Kunst im 20. Jahrhundert geht es mehr um Ideen als um Praxis und Handarbeit. Die interessantesten Dinge in diesem Zusammenzhang kommen im Grunde alle von Duchamp und Warhol her. Die haben philosophische Statements gemacht.

  Konnte man mit diesen Projekten Geld verdienen?

  Bob Adrian X: Man konnte damit kein Geld verdienen, und man kann es immer noch nicht. Man muß die Kommunikationsprojekte mit Geld finanzieren, das man von woanders bekommt. Ich habe Kunstwerke verkauft, und das Geld dafür verwendet, um die Kommunikationssachen zu finanzieren. Es war übrigens niemand aus den großen Kunstzentren wie New York oder London oder Paris oder Köln bei diesen Telekommunikationsprojekten involviert. Die Leute, die an diesen Projekten teilnahmen, brauchten die Kommunikation auch, weil sie in in Vancouver oder in Sidney oder in Wien oder in San Francisco lebten.

  Mir fällt auf, daß man - wenn man etwas über diese Telekommunikationsprojekte liest - immer eine andere Geschichte aufgetischt bekommt. Man liest von der Telekonferenz bei der Eröffnung der documenta 1976 oder die Projekte von Kit Galloway und Sherrie Rabinowitz, aber im allgemeinen sind diese Telekommunikationsprojekte nicht Teil der Großen Erzählung der Kunstgeschichte geworden. Glaubst Du, daß das daran liegt, daß kein Werk übrigbleibt, wenn der Kommunikationsprozeß beendet ist?

  Bob Adrian X: Erstmal waren keine großen Namen bei unseren Projekten dabei. Es war keine "große Kunst", kein Nam June Paik, keine spektakulären Videowände oder so etwas. Keinen von uns hat das im übrigen gestört. Wir haben das nicht groß in der Kunstwelt publiziert. Und von Anfang an hat es die Frage gegeben, wie man die "Arbeit" und den "Künstler" bei diesen kollaborativen und verteilten Projekten definiert und identifiziert. Die Traditionen der Kunstproduktion und -vermarktung funktionierten nicht mehr richtig, und Künstler, Kunsthistoriker, Kuratoren und das Kunstestablisment, die gelernt hatten, innerhalb dieser Tradtionen zu operieren, hatten Schwierigkeiten damit, diese Projekte als Kunst anzuerkennen. Netzkunst hinterfragt die Vorstellung der Kunstproduktion als einer mehr oder weniger einsamen und Produkt- orientierten Aktivität.

  Wenn Du Deine Situation damals mit dem Hype vergleichst, der jetzt um die Netzkunst veranstaltet wird, siehst Du Ähnlichkeiten?

  Bob Adrian X: Naja, wir haben auch immer gedacht, daß wir sehr avancierte Sachen machen würden, und damit bald einen Durchbruch erleben würden. Aber es gab nicht viele von uns. Zu dieser Zeit gab es vielleicht 50 potentielle Teilnehmer an diesen Telekommunikationsprojekten. Ein Menge Leute sahen sich das an, probierten es aus und mochten es nicht. Vielleicht war es auch zu schwierig. Sie sagten, daß das gar keine Kunst sei, daß wir eine militärische Struktur benutzen würden, und daß wir vom Big Business verschlungen würden. Eigentlich hat sich gar nichts verändert seit damals...

"Plötzlich gab es diese Bilder aus dem Golfkrieg. Und das war dieselbe Technologie, die wir benutzt hatten."

  Was hatten die Sachen, die ihr gemacht habt, denn mit dem Militär zu tun?

  Bob Adrian X: Als der Golfkrieg losging, hatten die Amerikaner plötzlich ein Problem. Auf einmal sah es so aus, als wären diese Kunstprojekte, die wir gemacht hatten, nur dazu da gewesen, diese ganzen Telekommunikationstechnologien gut aussehen zu lassen. Ich war vollkommen schockiert.

  Was? Du dachtest, daß du durch deine Kusnt auf irgendeine Art und Weise zu der Kriegstechnologie beigetragen hattest, die während des Golfkrieges verwendet wurde?

  Bob Adrian X: Ja, wir waren ein Teil davon, da gab es kein Vertun. Plötzlich gab es diese Bilder aus dem Golfkrieg. Und das war dieselbe Technologie, die wir benutzt hatten. Dasselbe ist auch mit dieser Virtual Reality passiert, die auch auf den Trainingsanzügen der Bomberpiloten basiert. Was wir gemacht hatten, war bloß ein Deckmantel gewesen - um die Technologie gut und harmlos erscheinen zu lassen.

  Und das war das Ende dieser Telekommunikationsprojekte?

  Bob Adrian X: Nein, es gab eine Reihe anderer Probleme bei diesen Projekten. Wenn Du drei Faxprojekte gemacht hast, dann hast Du Fax als ein Medium erschöpft. Mehr ist nicht drin. Es ist zu dünn. Dasselbe mit Slow Scan Television oder Bild-Telefonen. Man kann damit weiterarbeiten, aber es ist einfach schnell erschöpft.

  Das ist eine häufige Kritik an vielen dieser Telekommunikationsprojekte: daß sie eine Struktur für die Kommunikation zur Verfügung stellen, in der aber nie eine wirkliche Kommunikation stattfindet. Das hat man zum Beispiel über die Fernsehsendungen gesagt, die Van Gogh TV bei der letzten documenta gemacht haben...

  Bob Adrian X: Obwohl das ein aufregendes Projekt war! Aber da hast du dieselbe Situation: Man kann sowas einmal machen, aber du kannst es nicht noch einmal tun. Beim nächsten Mal haben sie es mit viel anspruchsvollerer Technologie gemacht, und das war eine komplette Pleite. Sie haben komplizierte Interfaces für Computer entwickelt, aber ich habe nie kapiert, was die da gemacht haben.

  Betrachtest Du die heutige Netzkunst als eine Fortsetzung von dem, was Du gemacht hast?

  Bob Adrian X: Ich sehe die ganzen verschiedenen Telekommmunikationsformen zu einem einzigen Medium verschmelzen. Es gibt jetzt ein Mega-Medium, das das Telefon, die Massenmedien, das Internet enthält. Es gibt diese Verbindung aller Aufnahme- und Sendetechnologien, und sie sind alle nur Komponenten eines riesigen Mediums. Aber ich glaube, das ist einfach nicht nützlich für uns. Computer sind nicht wirklich nützlich. Wir delegieren mehr und mehr Aufgaben an diese Systeme, und alles, was sie tun, ist eine Menge Leute arbeitslos zu machen.


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